DLV: 2. Virtueller Themenabend – Sprint und Sprung

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Dieses Mal waren es über 70 interessierte Masters-Athletinnen und -Athleten, die sich beim „2. Virtuellen Themenabend“ des DLV trafen. Thema der gut zweistündigen Veranstaltung war das Training im Bereich Sprint/Sprung. Fünf Athletinnen und Athleten sowie teilweise deren Trainerinnen gaben Einblicke in den Trainingsalltag eines Senioren-Sportlers.

Jan Schindzielorz (M40) und Christine Priegelmeir (W40; beide LG Forchheim)

Jan Schindzielorz (M40) und Christine Priegelmeir (W40; beide LG Forchheim)

en Einstieg machte zunächst Dr. Ralf Buckwitz, seit einigen Wochen Vorstand Sportentwicklung im DLV und somit Interessenvertreter der Seniorinnen und Senioren in diesem Gremium. Der promovierte Sportwissenschaftler und Wissenschaftliche Direktor der DLV-Trainerakademie wollte den Abend nutzen, die Mastersathletinnen und -athleten und ihre Bedürfnisse und Probleme kennenzulernen. Senioren-Referent David Deister betonte, dass nach den letzten Erhebungen fast 400.000 Seniorinnen und Senioren organisiert Leichtathletik betreiben, davon bestreiten deutschlandweit 30.000 Personen Wettkämpfe.

Wolfgang Ritte (M65; LAV Bayer Uerdingen/Dormagen), vielfacher Weltmeister und Weltrekordhalter im Stabhochsprung in unterschiedlichen Altersklassen hatte seinen Vortrag unter die Überschrift „Grundlagen meiner Trainingsarbeit“ gestellt. Sein Credo – als Erwachsener trägt man allein die Verantwortung für sein Training.

Über eine Abhandlung über Training, Leistungsfähigkeit, Leistungsvermögen und -bereitschaft und nicht zuletzt Belastung/Trainingsreiz, kam Wolfgang Ritte zu sechs Grundsätzen in seiner Trainingsplanung, in denen es um verschiedene Formen und Ausprägungen der Belastung geht: Wirksame Belastung (manchmal kann kein Training besser sein als unterschwellige Reizsetzung), unterschiedliche bzw. wechselnde Belastung, wachsende bzw. steigernde Belastung, das richtige Verhältnis zwischen Belastung und Erholung, regelmäßige Belastung und individuelle Belastung.

Er hob besonders die Gefahr des Übertrainings und fallenden Leistungsniveaus für Seniorensportler bei zu kurzen Regenerationsphasen hervor. Man dürfe nicht immer versuchen, dem altersbedingten Leistungsabfall mit mehr Training entgegen wirken zu wollen.

Mit „Siggis Sportclips“ fit durch die Coronazeit

Siegbert Gnoth (M80; TuS Gildehaus) erzählte, dass er im vergangenen Jahr sogar fitter geworden ist. Grund dafür war, dass er in der Coronazeit vor einem Jahr kurze Trainingsvideos für den Osnabrücker TB aufgenommen hat, in dem er die Vereinsmitglieder zum Mitmachen aufforderte. Entstanden sind im heimischen Garten über 50 Videos mit Trainingstipps, die unter „Siggis Sportclips“ auf Youtube zu finden sind.

Der passionierte Stabhoch-, Drei- und Weitspringer berichtete, dass gerade die unzähligen kleine Sprünge in alle Richtungen und in vielen Variationen seine Fitness enorm gesteigert hätten. Wenn er richtiges Sprungtraining macht, sind die Einheiten relativ kurz. Krafttraining bevorzugt Siegbert Gnoth mit hohem Gewicht und wenigen Wiederholungen sowie wenigen Serien.

Wie 2020 plant der engagierte Leichtathlet auch 2021 wieder kleine Wettkämpfe selbst durchzuführen, um zumindest ein paar Sportlern ein Wettkampfangebot machen zu können. Selbst würde er sich gerne den Hallen-Europarekord der M80 im Stabhochsprung holen, allerdings darf Siegbert Gnoth wie die meisten Seniorensportler derzeit nicht in eine Halle.

Vier-Monatsplan bis zur DM

Mit Hochspringerin und Sprinterin Frauke Viebahn (W60) und ihrer Trainerin Tania Kranz (W50; beide DJK BW Annen) stellte sich ein Duo der Runde vor. „In 100 Tagen zur DM“ ist die Überschrift, die sie sich für die nächsten 16 Wochen gegeben haben, in denen Frauke Viebahn, die erst 2011 mit der Leichtathletik begonnen hat, für die Deutschen Meisterschaften fit gemacht werden soll.

Im Gegensatz zu Wolfgang Ritte genießt es Frauke Viebahn, die letztes Jahr einen Weltrekord im Hochsprung aufgestellt hat, dass sie sich um ihr Training keine Gedanken machen muss. Sie verlässt sich bei der Trainingsplanung und -steuerung voll auf Tania und Jörg Kranz. Ihr Training findet zu festen Zeiten in einer Gruppe statt, zu der auch jüngere Athleten gehören.

Die nächsten vier Monate sind bei Frauke Viebahn aufgeteilt in sechs Wochen allgemeiner Aufbau, sechs Wochen spezieller Leistungsaufbau und vier Wochen spezielle Wettkampfvorbereitung. Tania Kranz stellte das Trainingsprogramm für diesen Zeitraum vor und erklärte, dass sie mit dem Rahmentrainingsplan Mehrkampf arbeitet, der allerdings nicht auf Senioren ausgerichtet ist, die entsprechenden Anpassungen mussten sich im Laufe der Jahre einspielen.

„Sprinter wollen und müssen sprinten“

Mit dem ehemaligen Top-Hürden-Sprinter Jan Schindzielorz (M40) und seiner Freundin und Trainerin Christine Priegelmeir (W40; beide LG Forchheim), selbst erfolgreiche Senioren-Sprinterin, war ein zweites Athlet-/Trainerin-Duo mit von der Partie. Unter „Wiedereinstieg leicht gemacht?“ erzählten beide, wie Jan Schindzielorz nach rund zehn Jahren Leichtathletik-Pause mit 37 Jahren wieder ins geregelte Training einstieg und mit welchen Schwierigkeiten er zunächst zu kämpfen hatte.

„Es ist mir leichtgefallen, wieder zu trainieren. Das hatte ich vermisst. Im Körper ist das Gefühl des schnellen Sprintens noch da, aber der Körper ist nicht mehr der alte. Daraufhin hatte ich Probleme mit den Waden und der Achillessehne“, berichtete Jan Schindzielorz. Somit hieß es eineinhalb Jahre Aufbautraining, ehe er wieder Leistungs-Sprinttraining machen konnte.

Bedeutung der Regeneration

Das zahlt sich mittlerweile in internationalen Goldmedaillen und Rekorden aus. So lief Jan Schindzielorz, der selbst jugendliche Hürdensprinter im Kader betreut, 2020 in seinem einzigen Rennen in Regensburg in 14,05 Sekunden M40-Europarekord über 110 Meter Hürden. Der Trainings-Umfang ist im Gegensatz zu früher natürlich deutlich reduziert. „Mittlerweile achte ich mehr auf meinen Körper und die Regeneration“. Einen Tag Training, einen Tag Pause habe sich als gut für ihn herausgestellt.

„Sprinter wollen sprinten und müssen sprinten“, sagte Christine Priegelmeir. So seien von Anfang an im Jahresplan ein bis zwei Schnelligkeitseinheiten dabei. Wenn man wochenlang nur extensive Läufe mache, werde man nicht schnell. Die nächsten Ziele? 2023 kommt Jan Schindzielorz in die M45, dort will er den Weltrekord angreifen, der bei 14,36 Sekunden steht. „Leichtathletik ohne Wettkampf funktioniert für mich nicht“, sagt er. „Das hält mich bei der Stange. Ich setze mir ein Ziel, das motiviert mich im Training.“

Auf den Körper hören

Als Letzte in der Runde faszinierte Tatjana Schilling (W50; TSV 1850/09 Korbach) die gespannten Zuhörer. Ihren bislang letzten großen internationalen Erfolg hat die Mehrkämpferin beim EM-Siebenkampf im September 2019 in Caorle/Venetien gefeiert, als sie bei ganz schlechtem Wetter und nach einer mehrstündigen Unterbrechung vor den 800 Metern wegen Gewitters den W50-Weltrekord im Siebenkampf knackte.

Ihr Vortrag stand unter dem Motto „Mein „Das-steht-in-keinem-Lehrbuch“-Training“. Tatjana Schilling hat 2015 ihren B-Trainer-Schein gemacht, doch die Gestaltung bzw. Reihenfolge in ihren Trainingseinheiten passen zu keinem Lehrbuch. So beginnt sie zum Beispiel eine Einheit nach dem Warmmachen mit einem 600-Meter-Lauf, es folgen zwei bis drei 400-Meter-Läufe, ehe 200er das Tempoprogramm abrunden. Doch dann ist nicht etwas Schluss. Sie sprintet noch fünf Mal 50 Meter aus dem Block, danach macht sie noch Einbeinsprünge.

Training nach Gefühl

Tatjana Schilling trainiert viel nach Gefühl und hört in ihren Körper hinein. Wenn der Körper Probleme signalisiert, hört sie sofort auf. „Ich kann mich auf meinen Körper verlassen“, sagt sie. Prinzipiell macht sie zwei bis drei Mal pro Woche Tempoläufe, zwei Mal Krafttraining, das häufig im Maximalbereich stattfindet. Großen Wert legt sie auf die Rumpfmuskulatur. Techniktraining findet bei ihr eher nicht statt, Weit- und Hochsprung-Training sind seit ihrer schweren Knieverletzung 2015 sowieso nicht mehr möglich.

„Ich habe nicht die ganze Woche vor Augen. Ich schaue, wie es mir geht und entscheide dann, was ich wann trainiere.“ Pro Woche kommt sie an fünf Tagen auf zehn bis zwölf Stunden Training. Abschließend betonte Tatjana Schilling, dass es bei Frauen über 50 irgendwann nicht mehr geht, die Leistung zu toppen. Irgendwann kommen die Wechseljahre und verändern den Leistungssportlerinnen-Körper, das müsse man akzeptieren.

Alles tun für DM-Senioren

Dr. Ralf Buckwitz war am Ende der Veranstaltung begeistert. Die Themen seien wie im Spitzenbereich gewesen - Belastung, Regeneration, Verletzungsprophylaxe. Der große Unterschied sei die hohe Eigenmotivation. „Die Freude am Sport steht bei euch im Vordergrund, das ist im Hochleistungssport nicht immer der Fall.“

Zuletzt äußerte sich Dr. Ralf Buckwitz sehr optimistisch zur Frage aus dem Chat, ob in diesem Jahr wieder Deutsche Meisterschaften werden ausgetragen werden können. „Sehr viele Leute im DLV tun gerade alles dafür, dass es Deutsche Senioren-Einzelmeisterschaften geben wird. Ich gehe ganz fest davon aus, dass diese Meisterschaften stattfinden werden“, so Dr. Ralf Buckwitz.

Der nächste Virtuelle Themenabend, dieses Mal zu „Lauf und Wurf“, ist für Donnerstag, 17. Juni (Achtung: Termin wurde neu festgelegt) geplant. Eine Registrierung ist schon jetzt möglich. Eine kurze E-Mail an masters(at)leichtathletik.de genügt.

Videoaufzeichnung des 2. Virtuellen Themenabends - Sprint und Sprung

Wolfgang Ritte - Die Grundlagen meiner Trainingsplanung
Frauke Viebahn - In 100 Tagen zur DM