Dennis Lukas – Drangeblieben und Chance genutzt

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Einige junge Aufsteigerinnen und Aufsteiger, ein Außenseiter, aber auch Athletinnen und Athleten, die schon seit Jahren zur DLV-Spitze zählen, haben bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig im zurückliegenden Sommer ihren ersten Titel auf nationaler Ebene gewonnen. Wir stellen sie vor, heute Kugelstoßer Dennis Lukas (LG Idar-Oberstein).

Dennis Lukas – Drangeblieben und Chance genutzt (Foto: <a href="https://www.wolfgang-birkenstock.de/" target="_blank">Wolfgang Birkenstock</a>).

Dennis Lukas – Drangeblieben und Chance genutzt (Foto: Wolfgang Birkenstock).

Dennis Lukas
LG Idar-Oberstein

Bestleistung:

Kugelstoßen: 19,82 m (2021)

Erfolge:

Deutscher Meister 2021

Der Kugelstoß-Wettbewerb der Männer bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig war nach der verletzungsbedingten Absage von Seriensieger David Storl (SC DHfK Leipzig) eine offene Angelegenheit. Viele in den Favoritenkreis aufgerückte Athleten taten sich allerdings schwer. Stattdessen legte Dennis Lukas, der in den vergangenen Jahren eher in der zweiten Reihe gestanden hatte, den bisher besten Wettkampf seiner Karriere hin. Auf den Punkt schnellkräftig und explosiv wie nie zuvor steigerte der 27-Jährige im sechsten Versuch seine Bestleistung auf 19,82 Meter und sicherte sich den nationalen Titel.

„Mein Wettkampf im Vorfeld der Deutschen lief gut. Ich habe mich sehr gut in Form gefühlt und wie im vergangenen Jahr vielleicht eine Medaille für möglich gehalten. An den Sieg habe ich aber nicht gedacht“, erzählt der DM-Dritte des Vorjahres, der, „wenn man schon einmal so weit in den Norden gefahren ist“, gleich noch ein paar Tage nach dem Meisterschaftswochenende mit seiner Freundin in Hamburg blieb. Dort verbrachte er dann allerdings ungewöhnlich viel Zeit an seinem Handy.

„Es kamen Interviewanfragen von der Presse aus der Heimat und so viele Glückwünsche, wie ich noch nie vorher erhalte habe“, so der späte Umsteiger auf die Drehstoßtechnik, der seinem kleinen Heimatverein, LG Idar-Oberstein, über seine gesamte Laufbahn treu geblieben ist. Der Meistertitel ist das unverhoffte Resultat von jahrelanger, leidenschaftlicher Trainingsarbeit ohne den Sport ganz und gar in den Lebensmittelpunkt zu rücken und ohne finanzielle Unterstützung durch Verband oder Sponsoren.

Ohne Training in die DLV-Bestenliste der M15

In seiner Kindheit im Hunsrück in Rheinland-Pfalz war der spätere Kugelstoßer zuerst im Schwimmen sportlich aktiv. Seine ganze Familie war bei der Wasserwacht Idar-Oberstein engagiert und der damalige Grundschüler beließ es nach einem ersten Kurs nicht beim Seepferdchen. „Ich habe bis zu meinem 18. Lebensjahr als Rettungsschwimmer auch Wettkämpfe bestritten, bei denen man mit Bekleidung schwimmen muss, tauchen oder jemanden abschleppen.“

Zur Leichtathletik kam der heutige Deutscher Meister erst im Alter von 15 Jahren, als er die Vier-Kilo-Kugel im Sportunterricht ohne Vorerfahrung deutlich über die 13-Meter-Marke beförderte. „Mein bis heute bester Freund hat mich daraufhin mit zum Leichtathletik-Training genommen.“ Und auch die ersten Wettkämpfe verliefen vielversprechend.

Mit einer Bestweite von 15,09 Metern gelang sogar als 29. gleich der Eintrag in die Top 30 der DLV-Bestenliste der Altersklasse M15 des Jahres 2009, ganz klassisch mit der Angleittechnik erzielt. Betreut wurde Dennis Lukas bei der LG Idar-Oberstein von einem Mann, dessen Name dort ganz eng mit der Leichtathletik verbunden ist: Joachim Richter.

Enge Zusammenarbeit mit Trainer Joachim Richter

Auch wenn die Wurfdisziplinen von Anfang an seine Stärke waren, versuchte sich Dennis Lukas zuerst auch im Sprint, Weit- und Hochsprung. Mit sich weiter einstellenden Erfolgen rückte aber das Kugelstoßen immer mehr in den Mittelpunkt und das Hobby wurde nach und nach mit ernsthaften Leistungsambitionen verknüpft. Im ersten U18-Jahr gelangen mit der Fünf-Kilo-Kugel schon 16,75 Meter, Platz 14 in der DLV-Bestenliste. Ein Jahr später sicherte sich der damals 17-Jährige Bronze bei der Jugend-DM in Jena (17,30 m), übrigens genau wie in diesem Jahr seinen DM-Titel erst im sechsten Versuch, der häufig der weiteste ist. Gewollt ist das nicht. „Ich versuche in jedem Versuch zu hundert Prozent konzentriert und fokussiert zu sein. Aber es ist auch gut zu wissen, dass ich im letzten noch immer voll da bin.“

Damals wie heute ist Trainer Joachim Richter insbesondere im Wettkampf ein wertvoller Begleiter. „Wir ergänzen uns sehr gut. Ich bin energischer und auch im Wettkampf schneller unzufrieden. Joachim kann mich mit all seiner Erfahrung beruhigen“, erzählt der Student der Energie- und Verfahrenstechnik, der 2013 mit Bronze in der Halle (17,99 m) und Silber im Freien (18,11 m) bei der Jugend-DM auch in der Altersklasse U20 Medaillen auf nationaler Nachwuchsebene gewinnen konnte.

In der damaligen Sommersaison stand nicht nur das Abitur an, sondern auch die Frage, wie es danach weiter gehen sollte. Zur Vorbereitung auf eine Sporteignungsprüfung wurde das Training etwas breiter angelegt, etwa auch mit Ausdauereinheiten. Letzten Endes entschied sich der Abiturient aber doch für einen naturwissenschaftlichen Studiengang. Diese Fächer hatten schon in der Schullaufbahn einen Schwerpunkt gebildet.

Studium und Sport gleichermaßen wichtig

Mit dem Studiengang Energie- und Verfahrenstechnik der TU Kaiserslautern fand sich nur rund 85 Kilometer entfernt die Fachrichtung, die Dennis Lukas am meisten interessierte. „Bei Energietechnik war klar, dass dieses Thema die Gesellschaft noch länger beschäftigen wird und in diesem Bereich mitzuwirken, interessiert mich.“ Die Frage eines Vereinswechsels stellte sich auch wegen des gewachsenen Vertrauens in die Zusammenarbeit mit Joachim Richter nicht. Das Training war weiterhin fester Bestandteil des Alltags, auch ohne den Status als Bundeskaderathlet und die damit verbundene Förderung. „Meine wichtigsten Unterstützer und Sponsoren sind bis heute meine Familie, meine Freundin und mein Freundeskreis“, so der Kugelstoßer.

„Natürlich war der Stundenplan in den ersten Semestern recht voll und auch der Übergang zur 7,26-Kilo-Kugel mit dem Anschluss an die U23- und dann Männerklasse ist nochmal eine neue Herausforderung gewesen“, erinnert sich der Athlet an seine ersten U23-Jahre. Aber auch mit der Männerkugel zeigte sich eine Entwicklung, nach 16,25 Metern im ersten Jahr, landete die Kugel im zweiten Jahr schon bei 17,82 Metern und dann 2016 bei 18,04 Metern. „Diese Fortschritte haben mir gezeigt, dass sich das Training lohnt.“

Umstellung auf Drehstoßtechnik

Nachdem 2017 Kniebeschwerden weitere Verbesserungen erschwerten, beschloss das Trainer-Athleten-Gespann im Herbst, es einmal mit der Drehstoßtechnik zu versuchen. Immerhin hatte Dennis Lukas in seinen Jugendjahren schon mit Diskuswürfen in Richtung der 50-Meter-Marke erste Erfahrungen mit diesem Bewegungsansatz gesammelt.

„Wir haben vorsichtig begonnen, aber auf unserer Heimatanlage gleich erkannt, dass die Kugel gut fliegt“, erinnert sich der 27-Jährige an seine ersten Drehstoß-Einheiten. Und schon im ersten Jahr mit dieser Technik im Wettkampf zahlte sich der Umstieg 2018 aus: Mit 19,14 Metern gelang eine Steigerung von einem Meter und auch die Qualifikation für die ersten Deutsche Meisterschaften in der Männerklasse. Dieser neue Ansatz war auch nochmal ein zusätzlicher Anreiz, der die Leidenschaft für das Kugelstoßen hoch hielt.

Goldstoß offenbart noch Potential

Von der Corona-Pandemie und den dadurch eingeschränkten Trainingsmöglichkeiten war Dennis Lukas wegen seines fehlenden Status als Kaderathlet besonders betroffen. Als Alternative zu Hanteln und Geräten im Kraftraum, diente der eigene Körper als Gewicht im Garten oder heimischen Wohnzimmer. Mit DM-Bronze, na klar im sechsten Durchgang, gelang schon 2020 in Braunschweig der bis dahin größte Erfolg, der Goldstoß ein Jahr später an gleicher Stelle war die bisherige Krönung.

Und die 19,82 Meter sollen noch nicht das letzte Wort gewesen sein. „Ich habe von diesem Stoß viele Videos geschickt bekommen. Da erkenne ich noch Potential“, erzählt der Überraschungs-Meister. „Zum Beispiel habe ich mein linkes Bein nicht optimal gesetzt, um die bestmögliche Wurfseitenfreiheit zu haben. Kompensieren konnte ich das dadurch, dass meine Schnellkraft auf den Punkt da war.“ Insgesamt soll in den kommenden Monaten weiter daran gearbeitet werden, den technischen Ablauf der Drehstoßtechnik zu verinnerlichen.

Nicht zu verbissen, aber „nächster Meter ist immer das Ziel“

Bis Ende des Jahres bereitet sich Dennis Lukas in Norwegen auf das kommende Wettkampfjahr vor, wo er an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität in Trondheim ein Auslandssemester absolviert. In Corona-Zeiten ist das mit noch mehr organisatorischem Aufwand verbunden, immerhin bietet die Uni mit einer Trainingsgruppe und gut ausgestatteten Fitnessstudios mit Terminbuchung sogar mehr Möglichkeiten als im heimischen Corona-Lockdown.

Gleichzeitig seine Ziele im Studium und Sport zu verfolgen, hat in den vergangenen Jahren gut funktioniert. Nach dem Auslandssemester soll die Scheinfreiheit erreicht sein und nur noch eine Studien- und die Masterarbeit bis zum nächsten Abschluss anstehen. Im Kugelstoßen bleibt es bei der Herangehensweise, die persönlichen Grenzen möglichst weiter zu verschieben, auch wenn die 20 Meter Marke nicht mehr fern ist.

„Klar, der nächste Meter ist immer das Ziel. Aber ich bin niemand, der sich zu sehr auf so ein Ziel festlegt. Das führt nach meiner Erfahrung dazu, dass man verbissen und verkrampft in den Wettkampf geht“, erzählt Dennis Lukas. „Man muss es meiner Meinung nach etwas gelassener sehen. Mit realistischen Zielen, Sportsgeist und Freude daran, wird sich das Training früher oder später auszahlen.“

Video:Dennis Lukas im letzten Versuch zu Kogelstoß-Gold
Video-Interview:Dennis Lukas: "Ohne die Fans hätte ich das nicht hinbekommen"

Das sagt der Leitende Bundestrainer Wurf/Stoß Sven Lang:

Der überraschende Titel ist ein riesen Erfolg für Dennis Lukas gewesen. Er hat im richtigen Moment Bestleistung gestoßen und die Gunst der Stunde genutzt. Mit Simon Bayer und Christian Zimmermann hat er zwei höher eingeschätzte Konkurrenten hinter sich gelassen und damit verdient gewonnen. Technisch beherrscht Dennis die Drehstoßtechnik schon sehr gut.

Wegen Corona konnte er erst spät mit dem richtigen Training beginnen, da ihm Zugang zu den Hallen fehlte. Damit war die Vorbereitung doppelt schwer, umso erstaunlicher ist seine Leistung. Athleten wie er sind das Salz in der Suppe der Deutschen Meisterschaften. Dennis hat gezeigt, dass auch Athleten, für die der Sport weniger im Mittelpunkt steht, die Etablierteren herausfordern und ihnen ein Schnippchen schlagen können. Ich wünsche ihm, dass er die 20 Meter übertrifft. Diese Marke ist nicht mehr weit entfernt.