Christina Mohr - Welt in positives Licht rücken

"Was ich von Deutschland her nicht kannte, war diese Gemeinschaft, dieses große Zusammenhalten im Team. Für das Team haben wir alles gegeben. Für das Team haben wir bis zum Umfallen gekämpft. Auch diese Gewissheit, dass um drei Uhr mittags stets eine Gruppe auf dich wartet, um sich mit dir zu quälen, war unendlich wichtig“, erzählt Christina Mohr über ihren US-Aufenthalt.

Man merkt schnell, dass die Läuferin aus Ulmen begeistern kann, dass ihre Sätze und Worte von fröhlichen und lebensfrohen Gedanken geprägt sind. Das kann die 21-Jährige nach außen transportieren, erst recht, wenn sie von ihrem Studienaufenthalt in den USA erzählt.

Im August 2004, nach ihrem Abitur, hat sie diesen über ein Sportstipendium bei der Coastal Caroline University angetreten. Ein Schritt, den sie nie bereut hat. "Am Wichtigsten von all den Erfahrungen, die ich dort gesammelt habe, ist wohl die Erkenntnis, wie willkommen und unersetzlich Freunde sind." Das hat sie geprägt und das macht auch den Menschen Christina Mohr aus. "Mir ist es egal, ob ich am Tag Tempoläufe gemacht habe. Abends gehe ich trotzdem mit Freunden weg." Diese Freiheiten braucht die Rheinländerin, diese Freiheiten hat sie schon immer gebraucht.

In den USA habe ihr die Laufgruppe die Motivation und den Spaß gegeben. „Denn was ich in Deutschland ein wenig vermisste, wurde mir in Amerika voll und ganz erfüllt: das gemeinsame Training“, sagt sie und lacht. „Und schnatternde Mädels haben dabei doch schon eine ganze Menge Spaß.“

Erst Ballett
Dahinter, dass sie es überhaupt zu einem Sportstipendium in den Staaten geschafft hat, verbirgt sich eine interessante Geschichte. "Sport habe ich eigentlich nie richtig gemocht. Irgendwie fehlt mir da in vielem das Talent. Nur Ballett, das habe ich mit vier Jahren begonnen."

Über ihre Eltern, die Hobbyläufer sind, ist Christina Mohr dennoch langsam zum Laufen gekommen. Mit Sechs lief sie den ersten Volkslauf. "Mit meinen Eltern bin ich nach Lust und Laune hin und wieder mitgelaufen und an Wochenenden mal zu einem Volkslauf." Mit 12 Jahren überzeugte sie ihre damalige Klassenkameradin, Kerstin Marxen, doch einmal mit zu ihr ins Training zu kommen. Dies tat sie nach langem Überlegungen auch und traf sogleich auf ihren jetzigen Trainer Heinz Reifferscheid. Ein Trainer, über den Christina Mohr sagt: "Ihn kenne ich nun schon so lange und er weiß wohl mit am Besten, wie es in mir aussieht."

Erste Erfolge
Die ersten Erfolge stellten sich schnell ein. Als 14-Jährige gewann sie ihren ersten Landesmeistertitel. Mit 15 lief sie die 2000 Meter in 6:38 Minuten und holte weitere Titel in Rheinland-Pfalz. "Ich hab' da alles noch nicht richtig ernst genommen, das folgte erst nach meinen ersten Deutschen Jugend-Meisterschaften 2000 in Dresden." Den 15. Platz über 3000 Meter hat sie als Ansporn gesehen.

Ein Jahr später, Christina Mohr trainierte in dieser Zeit zwischen fünf- und sechsmal die Woche, folgte der Durchbruch. Bei den Deutschen Cross-Meisterschaften in Regensburg wurde die Rheinländerin in der B-Jugend Zweite. "Ich hatte mir nichts vorgenommen und auf einmal war ich da Zweite. Das war so eine riesige Überraschung." Christina Mohr hatte das erste Mal dieses Gefühl erlebt, das sie auch heute noch als Grundlage ihrer Motivation sieht. "Die Erfolge treiben mich an. Du sagst dir immer wieder, das willst du wieder, das ist so ein tolles Gefühl!"

Immer Zweite
Ein Jahr später, wieder in Regensburg, wurde Christina Mohr, diesmal in der A-Jugend, erneut Zweite. "Ich habe mich trotzdem riesig gefreut. Eine Medaille habe ich noch nie als Enttäuschung angesehen."

Im Cross fühlt sich Christina Mohr ohnehin wohl. "Ich liebe den Cross. Wenn alles richtig matschig und dreckig ist und du von oben bis unten bespritzt bist, dann weißt du, dass du was geschafft hast." Bei den Deutschen 10-Kilometer-Meisterschaften in Schotten lief sie schon wieder als Zweite ins Ziel. Ein zweiter Platz, der noch lange nicht der letzte gewesen sein sollte.

Bei den Deutschen Jugend-Meisterschaften folgten weitere über die 3000 Meter und 1500 Meter Hindernis. "Nach den 3000 Metern habe ich schon gedacht: Verdammt, so knapp am Titel vorbei, doch als ich erfuhr, dass ich mit zum U18-Länderkampf nach München durfte, war alles vergessen."

Länderkampf als Motivation
Jener U18-Länderkampf ist sicher ein Erlebnis, das Christina Mohr so schnell nicht vergessen wird. "Ich dachte da nur: Oh je, jetzt bekommst du das Nationaltrikot. Schon alleine der Gedanke war unglaublich. Und als ich damit völlig nervös am Start meines Laufes stand, wusste ich, dass ich das auf jeden Fall wieder will. Das Rennen habe ich dann auch noch gewonnen, es war alles so unglaublich. Anschließend durften wir noch die Europameisterschaften im Olympiastadion miterlebt. Da habe ich mir gedacht. Dahin willst du auch mal. Das war eine riesige Motivation für mich." Christina Mohr sollte nicht lange warten müssen, ehe sie das erste Mal bei einer internationalen Meisterschaft dabei sein sollte.

Endlich Deutsche Meisterin
Es war das Jahr 2003, das Jahr der U20-Europameisterschaften in Tampere. "An die EM habe ich nie gedacht, dazu war ich mit meiner Zeit von der Quali viel zu weit weg." Es lief wie immer, möchte man fast sagen. Zwei zweite Plätze bei den Deutschen Cross- und Straßenlaufmeisterschaften.

Doch dann sollte der Bann endlich gebrochen werden. Im Mai 2003, bei den Deutschen Langstrecken-Meisterschaften in München, holte Christina Mohr ihren ersten Deutschen Meistertitel. Sie lief die 5000 Meter in 17:06 Minuten. "Das war ein Start-Ziel-Sieg. Gleich von vorne weg habe ich das durchgezogen. Da ist eine so große Last von mir gefallen. Selbst bei mir in der Schule hatte sie schon gesagt, du brauchst doch gar nicht zur DM fahren, lass dir doch die Silbermedaille gleich zuschicken."

Christina Mohr hatte gezeigt, dass sie es doch kann und legte beim Sportfest in Kassel gleich noch einen drauf. Mit 9:33 Minuten unterbot sie ihre Bestzeit um fast dreißig Sekunden und verfehlte die Norm für die U20-Europameisterschaften in Tampere um nur drei Sekunden. Doch nach einem weiteren Titelgewinn bei den Jugend-Meisterschaften in Fulda wurde Christina Mohr für die EM nominiert.

U20-EM in Tampere
"Das Ziel für Tampere war eigentlich nur, Erfahrungen zu sammeln. Es war ja schon ein riesiger Erfolg, überhaupt dabei zu sein", sagt sie. "Vor dem Wettkampf war ich auch richtig aufgeregt. Normal bin ich vor Wettkämpfen ja absolut ruhig. Im Gegensatz zu vielen freu' ich mich richtig drauf und bin bereit, mich der Konkurrenz zu stellen. Doch in Tampere war zu viel neu, war zu viel anders. Ich wurde Zehnte und war natürlich schon ein wenig enttäuscht, weil die Zeit von 9:54 Minuten überhaupt nicht zeigte, was ich drauf hatte."

Doch Christina Mohr wäre nicht Christina Mohr, würde sie dieser Enttäuschung lange nachtrauern. "Ich habe das als Erfahrung gesehen, als positive Erfahrung! Die Mannschaft und die Stimmung waren super. Das hat riesig Spaß gemacht und mit Sicherheit hab ich daraus sehr viel Motivation gezogen. Denn wenn du im Nationaltrikot läufst, dann ist das was ganz Besonderes. Etwas, das du immer wieder erleben willst."

Ein Tief
In der anschließenden Saison 2003/04 schien es genauso weiter zu gehen. "Bei der DM in Siegburg bin ich dann ja wieder Deutsche Meisterin geworden und hab mich da auch riesig gefreut." Doch als Christina Mohr aus dem Ostertrainingslager in Südfrankreich zurückkam, stimmte etwas nicht. "Das Training lief zwar noch gut, aber ich merkte, dass ich nicht bei vollen Kräften war."

Bei den Deutschen Meisterschaften in Borna war sie als Titelverteidigerin über 5000 Meter am Start. "Nach zwei Kilometern ging schon gar nichts mehr, als ob ich das Laufen verlernt hätte." In 17:06 Minuten wurde sie Fünfte, trainierte aber weiter. Ihr Zustand verschlechterte sich. "Die Pulswerte waren viel zu hoch, also haben wir einige Ärzte aufgesucht. Einer stellte Viren in meinem Blut fest und gab mir Spritzen."

Trotz allem wollte Christina Mohr die Jugend-Meisterschaften in Jena laufen. Ein Fehler, wie sich herausstellte. "Ich war schon nach einem Kilometer völlig am Ende und konnte mich noch als Fünfte ins Ziel retten. Da war ich das erste Mal wirklich richtig enttäuscht. Alles lief in den Jahren davor so gut und dann auf einmal sowas!" Doch genau das zeichnet die Läuferin der Gerolsteiner LGV aus, die Einstellung, der Sache immer das Positive abzugewinnen. "Das muss man einfach mal durchmachen, um zu wissen, wie schön Erfolg eigentlich ist."

US-Aufenthalt
Es folgte der US-Aufenthalt von August 2004 bis Mai 2005. Christina Mohr kehrte von dort mit einer Schien- und Zehenmuskulaturentzündung zurück. "Das war natürlich blöd, aber ich würde trotzdem sagen, dass mich die Zeit in Amerika auch sportlich weiter gebracht hat. Das Gruppentraining war einfach super. Jetzt laufe ich wieder alles alleine, das ist schon ein großer Unterschied."

Neben einmal die Woche Fitnessstudio und ein bis zwei Tempoeinheiten trainiert Christina Mohr ihre Dauerläufe nie mit Uhr. "Ich laufe nach Gefühl. Wenn auf dem Plan steht: 15 Kilometer Dauerlauf, dann laufe ich eben eine 15-Kilometer-Runde, ohne dass ich auf die Zeit schaue. So vermeide ich Druck und behalte den Spaß am Laufen."

Die Form kam wieder
Über Alternativtraining fand Christina Mohr nach ihren gesundheitlichen Problemen wieder den Anschluss. Es ging bergauf, die Form wurde von Woche zu Woche besser, das Training in den USA schien nicht ohne Folgen geblieben zu sein. Mit einem zweiten Platz bei den Deutschen Junioren-Meisterschaften in Rostock hatte Christina Mohr im vergangenen Jahr endgültig wieder zur alten Stärke gefunden.

Und mehr noch. Mit 9:32 Minuten über 3000 Meter und 34:31 Minuten über 10 Kilometer, was ein weiterer zweiter Platz bei den Deutschen 10-Kilometer-Meisterschaften in Otterndorf war, verbesserte sie ihre Bestzeiten ein weiteres Mal. Damit war die Saison zu Ende und Christina Mohr hatte gezeigt, dass mit ihr auch in Zukunft zu rechnen sein wird.

Unglaubliches in Darmstadt
"Der November und Dezember waren eigentlich nie meine Monate, denn ich bin ein richtiger Herbstmuffel. Also bin ich im November ohne große Ambitionen zu den Deutschen Cross-Meisterschaften nach Darmstadt gefahren." Doch es sollte alles ganz anders kommen. Das Training von sechs bis sieben Wocheneinheiten schien schon jetzt gefruchtet zu haben. "Als ich im Ziel war, kamen die ganzen Emotionen hoch, einige Tränen hab ich vergossen. Es war einfach so unglaublich, dass ich den Titel bei den Juniorinnen gewinnen konnte. Und als mir noch gesagt wurde, dass ich mit den Frauen zur Cross-EM nach Tilburg darf, da konnte ich gar nichts mehr begreifen. So viel Gutes auf einmal, das war der Wahnsinn."

Bei den Cross-Titelkämpfen in den Niederlanden waren die Erwartungen gebremst. "Ich wollte einfach Erfahrungen sammeln. Das ist ja eine ganz andere Klasse. Und ich hab' auch einiges darüber gelernt, wie es da so abgeht." Für Christina Mohr war dieser 61. Platz ein weiterer Puzzlestein, ein weiterer Schritt ihrem Traum entgegen.

"Mein Traum ist es einmal, wirklich international mitmischen zu können. Das heißt bei den Frauen öfter international am Start zu sein. Doch mit konkreten Zielen bin ich vorsichtig. Die behalte ich lieber für mich, denn viele sind doch eher noch Träume als Ziele." Und damit hat sie wohl recht, damit erspart sie sich eine Menge Druck von außen. In ihrer lockeren Art sagt sie dann noch: "Und so lange ich noch Spaß am Laufen habe, werde ich auch weiterhin fleißig sein, da ich ohne Laufen eh nicht mehr kann."

Studium in Köln
Jetzt lebt die 21-Jährige in Köln und studiert an der dortigen Uni Englisch und Deutsch auf Lehramt. "Das macht richtig Spaß dort, auch wenn die Trainingsbedingungen nicht so toll sind. Da muss ich eben oft die Pausen zwischen den Seminaren für ein Läufchen nutzen. Aber daran gewöhnt man sich. Irgendwann macht dir das auch nichts mehr aus, das geht schon."

Und genau so ist Christina Mohr. Sie ist jemand, der nicht nur sagt, wie toll doch positives Denken sei. Nein, sie ist jemand, der ständig den Dingen etwas Gutes abgewinnt. Das trägt sie voller Offenheit nach außen, lebt es beim Leistungssport wie auch im Privatleben. Und man muss kein Experte sein, um sagen zu können, dass diese Einstellung keine negative Auswirkung auf ihre läuferischen Leistungen hat.

Christina Mohr, die auf der Homepage www.running-and-music.de in einer eigenen Rubrik über ihr Leben berichtet, scheint ihren Weg gefunden zu haben. Einen Weg gebaut auf Freude, Erfahrungen und Träumen. Und dieser Weg hat sie eine Sache gelehrt, eine Sache, die sie tagtäglich in sich trägt: "Man muss diese Welt in ein positives Licht rücken und an ihr gefallen haben!" Mehr muss man über Christina Mohr nicht sagen.