Zehnkämpfer Kai Kazmirek war wohl als einer der Ersten in diesem Jahr direkt betroffen von den Auswirkungen der Corona-Krise. Während man in Deutschland noch weitestgehend unberührt von der Pandemie blieb, gab es in China bereits in den ersten Monaten des Jahres massive Einschränkungen. So war auch bald klar, dass die Hallen-WM in Nanjing, bei der Kazmirek im Siebenkampf um die Medaillen mitkämpfen wollte, ausfallen musste. Ohne Hallensaison machte sich Kazmirek an die Vorbereitung für die Olympischen Spiele – bevor alle Pläne und Träume für 2020 jäh zunichtegemacht wurden. Zunächst führten die Coronabekämpfungsmaßnahmen ab Mitte März dazu, dass die Trainingsstätten selbst für die Nationalkaderathleten nicht mehr zugänglich waren. Improvisation war angesagt: Heimtraining statt Trainingslager, Treppenläufe statt Tartansprints, Würfe im Wald statt im Stadion. Bald kamen auch die Wettkampf-Absagen am laufenden Band: keine Olympischen Spiele, keine EM, keine großen Zehnkampf-Meetings. Umso größer die Freude bei Kazmirek, als im Sommer zumindest einzelne Sportfeste wieder stattfinden konnten. Beim Deichmeeting in Neuwied am 18. Juli präsentierte er sich beim Vierkampf erstmals wieder vor Publikum. Auch die Kurpfalz-Gala „light“ in Weinheim am 1. August war eine willkommene Startmöglichkeit für den Zehnkämpfer. Dass die Deutschen Meisterschaften in Braunschweig zu seinem Saisonhöhepunkt werden würden, hätte Kazmirek Anfang des Jahres wohl auch nicht vorausgesehen. Doch die Devise lautete nun „endlich wieder Wettkämpfe“, und der 29-Jährige startete mit drei Wettbewerben motiviert in die nationalen Titelkämpfe. Vielleicht sogar etwas zu motiviert: Die 400 Meter ging er wohl etwas zu schnell an und kam am Ende auf Platz 10 in 47,53 Sekunden. Bei den 110 Meter Hürden musste er dann feststellen, dass „drei Stunden Regeneration nach dem 400-Meter-Lauf nicht ausreichen“. In 15,24 Sekunden blieb Platz 13. Besser lief es am zweiten Tag. Hier überzeugte Kazmirek mit einem fünften Platz im Weitsprung (7,48 Meter).
Bei der Mehrkampf-DM in Vaterstetten wurde für Kazmirek und andere Top-Zehnkämpfer ein Einladungs-Vierkampf durchgeführt, den er souverän gewann. Hier holte er sich noch einmal einiges an Zufriedenheit und „viel Rückenwind für die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele.“ Einen Vorteil in der wettkampfreduzierten Saison sieht Kazmirek durchaus auch: Training ohne Druck könne auch dazu führen, dass neue Dinge ausprobiert werden und Verletzungen besser auskuriert werden. Damit kann er mit einigem Optimismus auf die hoffentlich dann 2021 stattfindenden Olympischen Spiele schauen. Bislang läuft das Training für den verschobenen internationalen Höhepunkt nach Plan. 2016 in Rio konnte Kazmirek mit persönlicher Bestleistung und einem vierten Platz beeindrucken. In Tokio will er noch einmal angreifen und das Beste aus sich herausholen.
Hindernisläuferin Gesa Krause ist bekannt dafür, dass sie alles dem sportlichen Ziel beim Saisonhöhepunkt unterordnet, und sich akribisch auf den Hauptwettkampf vorbereitet. Umso härter trafen sie die Veränderungen in diesem Jahr, die auch ihre Pläne komplett umwarfen. Als die Pandemie in Europa an Fahrt aufnahm, war Krause wie so oft im Trainingslager in Kenia, und gleich im Anschluss ging es weiter in die USA nach Boulder (Colorado). Dort fand sie bessere Trainingsmöglichkeiten vor als in Deutschland, wo zu diesem Zeitpunkt bereits alle Sportanlagen gesperrt waren. Die Verschiebung der Olympischen Spiele stellte sie vor eine große Herausforderung: Erstmals war das Training nicht auf ein konkretes Ziel ausgerichtet – eine völlig unbekannte Situation für Krause. Doch sie fand ihren Optimismus wieder: „Meine Ziele haben sich nicht geändert. Sie sind nur um ein Jahr verschoben.“ Statt spezifischer Vorbereitung lief sie größere Umfänge als je zuvor, erst in den USA, und ab April wieder in ihrer Heimat Dillenburg in Hessen. Krause äußerte schon früh die Hoffnung auf eine „Late Season“ und wollte gerne zumindest wieder etwas Wettkampfluft schnuppern. Als schließlich die ersten Wettkämpfe angekündigt wurden, machte Krause ihre Enttäuschung kund, dass die DM in Braunschweig ohne Mittelstrecken und Hindernislauf geplant wurde, und löste damit eine kontrovers geführte Debatte aus. Das Hindernis-Rennen bei der DM konnte letztendlich doch stattfinden – und Krause stand am Start, um ihren sechsten Titel in Folge abzuholen. Doch statt wie gewohnt mit großem Abstand zu siegen, tat sie sich schwer und musste entkräftet abbrechen. „Mental und körperlich kaputt“, so beschrieb Krause ihren Zustand rückblickend. Sie entschloss sich zu einem radikalen Schritt, sagte alle Wettkämpfe ab, unterbrach ihr Training, ging stattdessen allein auf Reisen und versuchte so, ihren Fokus wiederzufinden. Dies scheint gelungen: Mit neuer Kraft ist die 28-Jährige wieder mitten im Training für Olympia. Wie gewohnt führt es sie auch in diesem Winter in Trainingslager rund um die Welt. So bereitet sie sich in der Höhe in Kenia auf die neuen Herausforderungen vor. Den Traum von der olympischen Medaille hat Krause nach diesem schwierigen Jahr wohl wiedergefunden.
Für die Junioren im LVR steht 2021 eine Europameisterschaft als Höhepunkt auf dem Wettkampfprogramm. Im norwegischen Bergen geht es um die kontinentalen Titel der U23 und zwei LVR-Athletinnen haben die besten Chancen, sich hier zu beweisen. Sophia Junk ist trotz ihres jungen Alters schon recht erfahren auf der internationalen Bühne und konnte zuletzt bei der U23-EM 2019 in Schweden mit dem fünften Platz über 200 Meter sowie Gold mit der 4 x 100-Meter-Staffel überzeugen. 2021 ist sie in ihrem letzten U23-Jahr und bereit für weitere Erfolge. Auch für Junk war 2020 anders als erwartet. Auf Hallenstarts verzichtete sie zugunsten der optimalen Vorbereitung auf den Sommer. Ein Trainingslager auf Teneriffa konnte sie zu Beginn des Jahres noch absolvieren, bevor die coronabedingten Einschränkungen verordnet wurden. Junk konnte sich nach dem improvisierten Frühjahrstraining bei einigen Wettkämpfen in der Late Season in guter Form präsentieren. So lief sie am 18. Juli in Wetzlar 23,42 Sekunden über 200 Meter. Am 26. Juli in Regensburg stellte sie sogar eine neue Bestzeit über 100 Meter auf: Hier war sie 11,42 Sekunden schnell. Zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen wollte sich Junk bei der DM bestmöglich präsentieren und ganz vorne mitmischen – doch ein Infekt machte ihren Start unmöglich. Die Saison war somit auch schnell wieder beendet. Dennoch kann Junk positiv auf 2021 blicken. Immerhin sagt sie von sich selbst: „Ich weiß, dass ich noch mehr Potenzial habe.“ Und spätestens in Bergen wird sie dies der europäischen Konkurrenz zeigen wollen.
Potenzial hat auch 800-Meter-Läuferin Majtie Kolberg von der LG Kreis Ahrweiler, wie sie mit ihren deutlichen Steigerungen 2020 zeigte. Bereits in der Halle deutete sich eine starke Saison an. Mit dem dritten Platz bei der DM in Leipzig in 2:06,27 Minuten behauptete sie sich ganz vorne in der deutschen Spitze. Die Planung für den Sommer wurde natürlich auch bei Kolberg komplett umgeworfen, jedoch hinderte es sie nicht, bei verschiedenen Wettkämpfen hervorragende Leistungen zu zeigen. So lief sie unter anderem bereits am 11. Juli in Dortmund die 800 Meter in 2:05,67 Minuten über 800 Meter, bevor sie am 19. Juli in Sonsbeck nachlegte. Mit herausragenden 2:02,58 Minuten konnte sie ihre persönliche Bestzeit um rund drei Sekunden sehr deutlich steigern. Auch der Rheinland-Rekord – seit 2017 von Gesa Krause gehalten – wurde von Kolberg geknackt, und der Rheinland-Pfalz-Rekord (2:02,29) ist in Reichweite.
Nach neuen Bestzeiten über 800 Meter legte Majtie Kolberg auch über 1500 Meter eine schnelle Zeit hin. Sie lief die lange Mittelstrecke am 25. Juli in Regensburg in 4:21,35 Minuten. Highlight sollte die DM in Braunschweig werden, wo sie um die Medaillen mitkämpfen wollte. Eigentlich lief auch alles nach Plan, doch leider wurde Kolberg eine halbe Runde vor dem Ziel, beim Versuch, die Führung zu übernehmen, von der späteren Siegerin Christina Hering (LG Stadtwerke München; 2:01,61) behindert. Wahrscheinlich kostete sie das eine Medaille, denn die Plätze eins bis vier lagen alle nur sehr knapp auseinander. Ihre persönliche Bestzeit konnte sie mit 2:02,77 Minuten annähernd bestätigen. Für die kommende Saison kann man erwarten, dass die 21-Jährige nicht nur weiterhin schnelle Zeiten läuft, sondern ihr Können auch in Medaillen bei Deutschen Meisterschaften und möglicherweise auch bei der EM in Bergen umsetzt.
Neuer Anlauf im Jahr 2021
Partner des LVR: