Professor und Vaterfigur - Ernst Klement

Leichtathletik

Professor und Vaterfigur

Der Hammerwurf-Trainer Ernst Klement ist tot

Quelle: Trierischer Volksfreund vom 14.02.2002

Im Alter von 87 Jahren ist der Hammerwurf-Trainer Ernst Klement gestorben. Aus seiner Schule gingen Weltmeister und olympische Medaillengewinner hervor. Im Moment seines wohl größten Triumphs dachte Ernst Klement schon an die nächste Generation. Am Pfingstmontag 1975 in Rehlingen, sein Musterschüler Karl-Hans Riehm hatte gerade den Weltrekord pulverisiert, ging er zu einer Gruppe Sechzehnjähriger aus seinem "Werfer-Stall", zeigt auf den Kamera-umtobten Neu-Weltrekordler und sagte mit seinem strahlendsten Lächeln: "Das könnt ihr auch haben. Ihr müsst nur ordentlich trainieren."

Es war immer der Nachwuchs, der im Mittelpunkt seines Denkens stand. "Papa Klement" nannten ihn seine Werfer-Schüler. Die Jungen meinten es ehrfurchtsvoll, die Ältern bisweilen auch etwas spöttisch, aber nie ohne Respekt.

Vielleicht waren es Ernst Klements bewegte Jugendjahre, die in später zur Vaterfigur wachsen ließen. Geboren in Südmähren zu Beginn des ersten Weltkrieges, vom zweiten Weltkrieg nach Afrika und in die USA verschlagen. Vertreibung und Nachkriegswirren: Er wollte "seinen" Werfern jene Geborgenheit vermitteln, die ihm selbst die Zeitläufe nicht zugestanden hatten.

Und so fuhr er in seinem legendären VW-Bus, sieben Exemplare blieben im Laufe der Jahre buchstäblich auf der Strecke, nicht nur Dutzende von Hämmern aller Gewichtsklassen spazieren, sondern auch allerlei Versorgungsgüter für hungrige Jung-Athleten. In den Sechziger und Siebziger Jahren, als der Wohlstand noch nicht ganz so verbreitet war, setzte er seine Übungsleiterhonorare in regelmäßige "Fress-Treffs" (O-Ton Klement) um, bei denen sich die Tische unter schweren Restaurationsplatten bogen. Kein Wunder, dass es an Nachwuchs nie mangelte.

Jahr für Jahr ließ der Studiendirektor and deiner Haus-Schule, dem Trierer Max-Planck-Gymnasium, die Sextaner antreten, um sie auf ihre potenzielle Hammerwerfer-Tauglichkeit zu untersuchen. Wer sich für das Training, das abwechselnd in Trier und Konz stattfand, interessierte, wurde nach der Größe seiner Eltern gefragt und Ernst Klement errechnete nach einer Formel, die nur er kannte, das mögliche Größenwachstum. Es wurde allerdings nie jemand nach Hause geschickt, nur weil er zu klein bleiben drohte.

Seinen Schützlingen räumte Klement mancherlei Schwierigkeiten aus dem Weg. Er verhandelte mit Lehrern, um gefährdete Versetzungen doch noch zu ermöglichen, klopfte Wehrersatzämter weich, handelte Studienplätze aus, wo es eigentlich keine gab. So band er Menschen an sich, schaffte ein Umfeld, in dem dank der Initiative eines Einzelnen mehr Erfolge produziert wurden als in aufwändigen Leistungszentren.

Und weil sich zu den menschlichen Qualitäten ein Höchstmaß an fachlicher Kompetenz gesellte, ging es ganz hoch hinaus. Der "Hammerwurf-Professor", wie ihn die Fachwelt titulierte, brachte mit Edwin Klein, Karl-Hans Riehm, Christoph Sahner und Heinz Weis Athleten in die Weltspitze, von zahllosen Deutschen Meisterschaften gar nicht zu reden.

Seine Weiterentwicklungen der Hammerwurf-Technik wurden weltweit diskutiert, Werfer aus Italien, Frankreich, den USA, ja sogar Australien kamen in das Werferzentrum Monaise. Nur die eigenen "Kinder" musste er regelmäßig ziehen lassen, weil Großvereine wie Wattenscheid oder Leverkusen anders als der Heimatverein TV Germania Trier in der Lage waren, auch mit Geld zu locken.

Das hat ihm weh getan, mehr, als er selbst zugegeben hätte. Vor allem dann, wenn sich neue Trainer mit jenen Lorbeeren schmückten, die Ernst Klement nach eigener Einschätzung verdient hätte. Nicht, dass er besonders eitel gewesen wäre, aber seine Verdienste wollte er, dafür war er selbstbewusst genug, denn doch angemessen gewürdigt wissen.

Seine Schüler aber blieben immer seine Schüler. Egal ob sie Wissenschaftler wurden, Autoren, Schreinermeister oder Zeitungsredakteure.

Ein Gespräch mit dem alten Herrn, der noch hoch in den Achtzigern mit der charakteristischen, um die Hüfte geschwungenen Wolldecke neben dem Hammerwurfkreis stand, war immer lohnenswert.

"Wer im Spitzensport Anschluss halten will, der braucht nicht nur Trainingsstätten und Sponsoren, der braucht vor allem Menschen wie Ernst Klement." hieß es in der Laudatio, als Klement 1995 bei der Sportlerwahl des Jahres einen Sonderpreis für sein Lebenswerk erhielt. Allzu viele von seinem Kaliber gibt es nicht mehr.